Weg mit Minimaldefinitionen - Pflege ist mehr!

„Wir sind Gesundheits- und Krankenpflegende. Keine ,Schwestern´. Und ,krank´ schon gar nicht.“ Pflegewissenschafterin Maria Magdalena Schreier, selbst Diplom-Pflegewirtin sowie Gesundheits- und Krankenpflegerin, beleuchtet ihre Profession und betont: Wir brauchen PflegebewusstmacherInnen!

Professionelle Pflege umfasst gemäß dem International Council of Nurses (ICN) „… die eigenverantwortliche Versorgung und Betreuung, allein oder in Kooperation mit anderen Berufsangehörigen, von Menschen aller Altersgruppen, von Familien oder Lebensgemeinschaften, sowie von Gruppen und sozialen Gemeinschaften, ob krank oder gesund, in allen Lebenssituationen (Settings). Pflege schließt die Förderung der Gesundheit, Verhütung von Krankheiten und die Versorgung und Betreuung kranker, behinderter und sterbender Menschen ein.  Weitere Schlüsselaufgaben der Pflege sind Wahrnehmung der Interessen und Bedürfnisse (Advocacy), Förderung einer sicheren Umgebung, Forschung, Mitwirkung in der Gestaltung der Gesundheitspolitik sowie im Management des Gesundheitswesens und in der Bildung.“

Soweit die Definition. Wie sieht aber der pflegerische Alltag aus, oder anders gefragt: Wie sieht Pflege im Alltag aus? Dazu muss man bereits den innersten Kern analysieren: die Pflege selbst.

Warm, satt, sauber mit Anspruch. Sogar innerhalb der eigenen Profession wissen viele gar nicht mehr, wie vielfältig und anspruchsvoll Pflege eigentlich ist. Nicht nur im Management, in der Politik oder in der Gesellschaft wird Pflege (immer noch) auf warm-satt-sauber reduziert. Auch die eigene Berufsgruppe kommt großteils nicht über diese Minimaldefinition hinaus. Schon allein deswegen lohnt es sich allemal, Pflege sichtbar zu machen. Denn wenn ich nicht weiß, wer ich bin und was ich Wertvolles leiste, definieren andere, was ich sein soll und bestimmen was ich wie zu tun habe – auch wenn ich besser weiß, wie es sein sollte und richtig wäre.

Pflege ist: vielfältig … Pflege umfasst eine Vielzahl und eine Vielfältigkeit an Tätigkeiten. Routine, Selbstverständlichkeit oder vielleicht auch ein gewisses Minderwertigkeitsdenken führen dazu, dass vieles untergeht, selbst von Pflegenden gar nicht (mehr) bewusst wahrgenommen wird. Wenn die Pflegeperson am Krankenbett den Urinbeutel ausleert, führt sie nicht nur diese Tätigkeit aus. Sie betreibt, modern ausgedrückt, Education. Weiß sie das? Meist nicht. Sie berät den Patienten nicht nur, sie schult ihn. Sie ergreift präventive Maßnahmen, während sie aktiv und direkt Pflegehandlungen am Patienten durchführt. In dem Moment, in dem sie mit dem Patienten spricht, wie er das vielleicht selbst machen kann, wenn er wieder zu Hause ist, macht sie eine Schulung.

… anspruchsvoll … Es ist wertvoll, zu jemandem ins Zimmer zu gehen und ihm beim Aufstehen aus dem Bett zu helfen. In Interaktion zu gehen, ihm zu zeigen, wie er das selbst bewerkstelligen kann, um daraus weiterführende Handlungen ableiten zu können. Das ist Pflegeprozess. Zu erfassen, zu operationalisieren, abzuleiten. Es ist nicht einfach nur „auf die Klingel zu gehen“ und jemanden auf die Toilette zu bringen. Das ist nicht einfach etwas, das jeder tun kann – dazu braucht es angemessene Qualifikation und Erfahrung im Beruf der Gesundheits- und Krankenpflege.

… verantwortungsreich ... Pflege ist ein attraktiver, vielseitiger, verantwortungsvoller und sinnstiftender Beruf. Er macht Spaß und ist erstrebenswert: Weil Pflege so vielseitig ist; weil sie in den unterschiedlichsten Settings stattfindet; weil wir es mit den verschiedensten Menschen aller Altersklassen in verschiedensten Lebenssituationen zu tun haben. Betrachten wir die Berufsbezeichnung genauer, die da lautet: Gesundheits- und Krankenpflege. Und genau das tun professionell Pflegende: junge und alte Menschen dabei zu unterstützen, gesund zu bleiben, gesund zu werden und mit einer Krankheit oder Beeinträchtigung mitunter ein Leben lang zurechtzukommen. Das macht Pflege so anspruchsvoll, deshalb ist Pflege mit einer hohen Verantwortung verbunden.

Qualität und Qualifikation. Deshalb ist die Akademisierung in der Pflege so wichtig. Gemeinsam mit allen Pflegenden, von der Pflegeassistenz bis zu den promovierten Pflege-Expertinnen und -Experten müssen wir reflektieren, was wir eigentlich in der Pflege tun, und im Sinne der Betroffenen unter Berücksichtigung moderner Möglichkeiten die pflegerische Versorgung weiterentwickeln. Packen wir es gemeinsam an!

Dipl.-Pflegewirtin (FH) Maria Magdalena Schreier

Maria Magdalena Schreier ist Diplom-Pflegewirtin und Gesundheits- & Krankenpflegerin. Sie arbeitet seit 2008 als wissenschaftliche Mitarbeiterin in Forschung und Lehre am Institut für Pflegewissenschaft und -praxis der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität in Salzburg. Der enge Bezug zwischen Pflegewissenschaft und Pflegepraxis ist ihr sehr wichtig und muss für sie in Forschungsprojekten ebenso wie in der Lehre ein zentrales Thema sein.