Wandel mittels Führung

„Nichts ist so beständig wie der Wandel“. Dieser Leitsatz des griechischen Philosophen Heraklit von Ephesus beschreibt auch heute noch den Trend von inter-/nationalen Gesundheitswesen. Was bedeutet in diesem Zusammenhang Führung und was heißt es, Führungsarbeit in Gesundheitsorganisationen anzubieten? Margitta Beil-Hildebrand stellt die Ziele und Perspektiven von Fachführung vs. Systemführung gegenüber.

„Nichts ist so beständig wie der Wandel“. Dieser Leitsatz wird dem griechischen Philosophen Heraklit von Ephesus zugesprochen, der etwa 500 Jahre vor Christus an der Westküste Kleinasiens lebte. Die Beständigkeit des Wandels liegt auch heute im Trend von inter-/nationalen Gesundheitswesen. Dies wird mit den Führungskräften von und in Gesundheitsorganisationen unter Berücksichtigung der demographischen Entwicklung, des medizinisch-pflegerischen und technischen Fortschritts, der personalintensiven Beschäftigung und der steigenden Gesundheitsausgaben deutlich. Aus diesem Grund wird auch ein Schreiben über den Wandel mittels Führung im Rahmen einer wissenschaftlichen und organisationalen Wertschöpfung durch Führungskräfte und Pflegefachkräfte von und in Gesundheitsorganisationen außerordentlich voraussetzungsreich (Beil-Hildebrand, 2014, 2021).

Was bedeutet Führung?

Was bedeutet Führung und was heißt es, Führungsarbeit in Gesundheitsorganisationen anzubieten? Die Literatur, bestehend aus Mainstream- und kritischen Organisationsanalysen, verdeutlicht, dass Führung (Leadership) ein vielschichtiger Begriff ist. Jedoch wird man meistens unter Führung an „das Handeln von betrieblichen Vorgesetzten denken, die sich bemühen, die Arbeit der ihnen unterstellten Personen zielgerichtet zu aktivieren und zu steuern“ (Rosenstiel, 1999, S. 412). Im Rahmen dieser Auslegung steht die Hierarchie von Gesundheitsorganisationen im Fokus der Analyse, so dass es zu einer Führung „von oben nach unten“ im Kontext eines Instanzenweges kommen kann. Stähle et al. (1999, S. 328) bieten eine weitere Lesart an: „Führung ist die Beeinflussung der Einstellung und des Verhaltens von Einzelpersonen sowie der Interaktion in und zwischen Gruppen mit dem Zweck, bestimmte Ziele zu erreichen.“ In diesem Zusammenhang kann neben einer vertikalen Führung, auch von einer horizontalen Führung mit dem Ziel einer Verhaltensbeeinflussung zwischen verschiedenen Personen bzw. Gruppen ausgegangen werden. 

Systemführung vs. Fachführung

Nach Rüegg-Stürm (2008, S. 1026) geht es jedoch in Gesundheitsorganisationen nicht ausschließlich um eine „Systemführung“, um „stabile und förderliche Kontextbedingungen“ durch die gehobene, mittlere und untere Managementebene zu schaffen, die es erlauben die Potentiale aller Mitarbeiter*innen auszuschöpfen. Es geht vielmehr auch um eine gesundheitsbezogene „Fachführung“ mittels der Entwicklung, Evaluation und Einführung von komplexen Interventionen. Letztere Führung verfolgt beispielsweise den fachlich-wissenschaftlichen Bereich der Pflege mittels Advanced Nursing Practice (ANP) im Rahmen eines „Clinical Leadership“, um eine qualitativ hochwertige und bedarfsgerechte Wertschöpfung im Sinne der hilfesuchenden, gesunden und kranken Menschen mit klinischer Autonomie und Verantwortung zu verfolgen. In diesem Zusammenhang ist ein evidenzbasiertes und -informiertes Wissen durch Junior und Senior ANP-Expert*innen auf Master- und Doktoratsniveau innerhalb verschiedener pflegerischer Handlungsfelder gefragt. Während die Systemführung (z.B. Pflegedirektion, Pflegedienstleitung) mit dem Management einer komplexen, dynamischen und verästelten Gesundheitsorganisation einschließlich deren Sektionen unter Berücksichtigung von Unternehmens- und Humanzielen gleichgesetzt werden kann, orientiert sich die Fachführung an den professionellen Diskursen und Praktiken der Pflegewissenschaft (Beil-Hildebrand, 2019).

Einflüsse auf das Gestalten und Verhalten

Allerdings ist das Ziel beider Führungsperspektiven nicht nur eine kohärente pflegerische und anspruchsgerechte Wertschöpfung mittels Wandel anzustreben, sondern auch die „organisationale Leistungsfähigkeit und Qualität des Arbeitslebens“ aller Mitarbeiter*innen zu fördern (Buchanan & Huczynski, 2017, S. 8). Diese Zielsetzung adressiert die Herausforderung einer personen-, gruppen- und organisationsbezogenen effektiven und effizienten Integration von spezialisierten Dienstleistungen und bringt u.a. ausgesuchte Führungstheorien und -konzepte mit sich (Beil-Hildebrand, 2019, S. 78). Es kann also konstatiert werden, dass nicht alle Führungskräfte den Wandel gleichartig vorantreiben. Das Gestalten und Verhalten von und in Gesundheitsorganisationen wird auch stets von persönlichen Interessen und Vorannahmen, der beruflichen Bildung und wissenschaftlichen Entwicklung sowie durch Modewellen, die über Publikationen, Unternehmensberater*innen, Coaches und Personalentwickler*innen verbreitet werden, beeinflusst. Dabei werden häufig neue Trends initiiert, die sehr viel versprechen, aber leider die enorm hohe Dynamik, Komplexität, Schnelligkeit und Vielfältigkeit des Wandels übersehen. Beachtet werden muss außerdem, dass meistens Lücken zwischen Theorie und Praxis bestehen. Der Wandel sieht auch unterschiedlich aus, je nachdem aus wessen Sicht – Systemführung vs. Fachführung – er betrachtet wird.

Wege zu innovativ-anspruchsvollen Resultaten

Dessen ungeachtet verfolgen Magnet-Spitäler im Rahmen des ANCC Magnet Recognition Program® (2020) einen kontinuierlich-exzellenten Wandel unter Berücksichtigung aller Mitarbeiter*innen, so dass sie mittels Personen in der Fach- und Systemführung institutionelle Spitzenleistungen im Rahmen ihres Gestaltens und Verhaltens von und in Gesundheitsorganisationen erzielen können. Dies geschieht durch eine angewandte Kombination aus transformationaler Führung, strukturellem Empowerment, exemplarisch-professioneller Praxis, neuem Wissen, Innovationen und Verbesserungen unter Einbezug von komplexen Interventionen empirisch-messbaren und interpretativ-verstehenden Ergebnissen. So erzeugen sie gemeinsam innovativ-anspruchsvolle Resultate und gehen dabei „eigene“ Wege beim Gestalten und Verhalten von und in Gesundheitsorganisationen unter Berücksichtigung ihrer jeweiligen Außen- und Binnenwelten. Dadurch werden Führungskräfte und hoch qualifizierte Pflegefachkräfte als Junior und Senior ANP zum Dreh- und Angelpunkt einer Gesundheitsorganisation, indem sie über das entscheidende Wissen aus der Fach- und Systemführung verfügen, um ihre Ziele und Absichten gemeinsam mit den Mitarbeiter*innen verwirklichen zu können. Statt auf Macht setzen diese Führungskräfte auf Überzeugungs- und Vertrauensarbeit und übernehmen dabei die Rolle der Ko-Konstrukteur*innen von Zielen und Visionen, um diese in die Mitarbeiterschaft weiterzutragen. Dieser Wandel erfordert Geduld und Selbstreflexion von allen beteiligten Personen.

 

Literatur:

American Nurse Credentialing Center (ANCC) (2020): ANCC Magnet Recognition Program®

. Online verfügbar unter: www.nursingworld.org/organizational-programs/magnet/ [19.10.2020].

Beil-Hildebrand, M.B. (2014). Change Management in der Pflege: Gestalten und Verhalten von und in Gesundheitsorganisationen. Bern: Hans Huber. 

Beil-Hildebrand, M.B. (2019). Change Management in der Pflege. Fachtagungsband Advanced Nursing Practice – die pflegerische Antwort für eine bessere Gesundheitsversorgung. 77-98. Wien: Facultas.

Beil-Hildebrand, M.B. (2021) Institutional Excellence Reloaded: A 17-year, Two-phase In-depth Study of Corporate Culture Change in the Health Care Sector. Journal of Health Organization and Management. 35. https://www.emerald.com/insight/content/doi/10.1108/JHOM-03-2020-0103/full/html

Buchanan, D. A.; Huczynski, A.A. (2017). Organizational Behaviour (9. Aufl.). Harlow: Pearson.

Rosenstiel, L. (1999). Führung und Macht. In C. Hoyos & D. Frey (Hrsg.). Arbeits- und Organisationspsychologie. 412-428. Weinheim: Beltz PVU.

Rüegg-Stürm, J. (2008): Führung ist nicht gleich Führung … Schweizer Ärztezeitung 89 (23), S. 1025–1027.

Stähle, W.H. et al. (1999). Management: eine verhaltenswissenschaftliche Perspektive. (8. Aufl.)., München: Vahlen.

Univ.-Prof. Margitta Beil-Hildebrand, Ph.D., M.Sc., Dip. Nurs. Mngt., PG Cert.HE, RGN.

Nach dem Studium zum Master of Science (M.Sc.) und Doctor of Philosophy (Ph.D.) an der University of Edinburgh, Schottland arbeitete die diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegekraft und ehemalige Pflegedirektorin eines Krankenhauses mit Schwerpunktversorgung an unterschiedlichen Hochschulen bzw. Universitäten in Deutschland und im Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland. Seit dem Jahr 2008 ist Margitta Beil-Hildebrand als Professorin für Qualitative Sozialforschung und Gesundheitsmanagement im Institut für Pflegewissenschaft und –praxis an der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität (PMU) in Salzburg, Österreich tätig. Ihre Lehr- und Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen der qualitativen Sozialforschung, der Gesundheitsökonomie, des Change- / Projektmanagements und den internationalen Bestrebungen der Pflegebildung und –praxis sowie der Organisation und Planung von unterschiedlichen Berufsgruppen im Gesundheitswesen. Des Weiteren ist Margitta Beil-Hildebrand für den Doktorats-studiengang zum Ph.D. in Nursing & Allied Health Sciences im Rahmen einer Graduiertenschule am Institut für Pflegewissenschaft und –praxis (PMU) zuständig. Sie veröffentlichte zahlreiche Artikel in internationalen Journalen und drei Bücher in den vorgenannten Bereichen.