Pflegebedürftige und auch Pflegekräfte brauchen aktuell besonderen Schutz und besondere Unterstützung. Das war vor Corona aber auch schon der Fall:
Demografische Veränderungen, Fortschritte in der Medizin sowie die Zunahme an chronischen Erkrankungen und an multimorbiden Menschen machen einen Strukturwandel der Pflege – sowohl hinsichtlich Ausbildung als auch Einsatzplanung – unumgänglich. Für die gesamtgesundheitliche Versorgung der Bevölkerung würde eine defizitäre Pflege in der Zukunft von großem volksgesundheitlichen und volkswirtschaftlichen Nachteil sein.
Zukünftig greift die Novelle des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes, wonach alle Angehörigen des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege einen Bachelorabschluss erwerben. Auch das wird zu weitreichenden Veränderungen in der Pflegepraxis führen, da dann ein höherer Anteil von Pflegenden mit einem Bachelorabschluss vorhanden sein wird und gleichzeitig Kollegen/innen mit einer klassischen Diplom-Pflegeausbildung eingesetzt werden. Dieser Mix aus unterschiedlichen Wissens- und Kompetenzgraden wird eine zusätzliche Herausforderung im pflegerischen Versorgungsprozess darstellen.
Was bedeutet das für die Pflege?
Sie muss den Spagat zwischen wachsendem ökonomischem Druck und gleichzeitig steigendem Qualitätsanspruch bewerkstelligen. „Gute Pflege“ erfordert eine hoch qualifizierte und universitär adaptierte Ausbildung, gepaart mit praktischer Berufserfahrung; einen Case Mix innerhalb der Institutionen sowie einen Skills Mix bei Pflegenden. Eine funktionierende Versorgungsstruktur lebt von einer funktionierenden Interdisziplinarität. Pflege ist hier ein entscheidender Akteur, daher ist es wesentlich, auch die besonderen Interessen dieser Profession klar in den Mittelpunkt zu stellen.
Was ist zu tun?
Ein Abgleich der aktuellen Qualifikationen und des bestehenden Wissens mit zukünftigen Anforderungen ist unabdingbar. Es ist essenziell, die immer noch vorhandene Vorstellung zu entkräften, dass Pflegende mit einer pflegewissenschaftlichen Ausbildung nicht mehr am Krankenbett arbeiten werden. Denn genau das Gegenteil muss der Fall sein: Der steigende Bedarf an professioneller Pflege erfordert langfristig ein tieferes pflegerisches Wissen und personelle Kompetenzen und damit einhergehend die Entwicklung einer evidenzbasierten Pflegepraxis. Hierzu gehört ein sinnvoller Qualifikationsmix und der Einsatz akademisch ausgebildeter Pflegefachpersonen in der direkten Versorgung der Patienten/innen.
So wie sich also die zukünftigen Krankheitsbilder und Ausbildungswege verändern, muss sich auch die Pflegepraxis verändern. Das Ziel muss eine Versorgung der Patientinnen und Patienten auf höchstem pflegerischem Niveau sein. Das Institut für Pflegewissenschaft und -praxis der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität (PMU) hat das Konzept des Nursing Development Center (NDC) entwickelt, um diesen Anforderungen entsprechen zu können.
Das Konzept Nursing Development Center
Das Nursing Development Center (NDC) kooperiert mit klinischen Versorgungseinrichtungen in der Akut- und Langzeitversorgung, um die Pflegeentwicklung universitär zu begleiten und der eingangs beschriebenen Problematik mit pflegepraktischen und -wissenschaftlichen Ansätzen gemeinsam zu begegnen. Und das ist eine komplexe Angelegenheit:
In den kooperierenden Einrichtungen des NDC werden unterschiedliche Wege beschritten, um eine erweiterte, evidenzbasierte Pflegepraxis zu etablieren. Das NDC unterstützt durch eine wissenschaftliche Begleitung. Theoretische Modelle werden als Orientierung für die Umsetzung einer Evidence Based Nursing (EBN) vermittelt, darüber hinaus praktische Unterstützung in den einzelnen Schritten des Prozesses der EBN geboten. Es hat sich herauskristallisiert, dass besonders die Integration von akademisch ausgebildeten Pflegefachpersonen eine Herausforderung darstellt. Es zeigt sich aber auch deutlich, dass die universitäre Unterstützung als positiv und wertvoll erlebt wird.
Und das bringt es:
- konsequente Weiterentwicklung pflegerischer beweisgestützter Maßnahmen an den Orten, wo Pflege stattfindet,
- Darstellung von Pflegeergebnissen, deren Präsentation und Verteidigung für eine angepasste Pflegepraxis,
- intra- und interdisziplinäre Weiterentwicklung im Sinne von Case-Management und Clinical Pathways,
- Analyse von Pflegeprozessverläufen,
- Entwicklung einer Diskurs- und Reflektionsfähigkeit zu Pflegehandlungen und therapeutischen Ansätzen im Pflegeteam,
- modularisierte Weitergabe und Entwicklung pflegewissenschaftlich begründbarer Pflegepraxis an Pflegeschüler/innen und -studierende unter besonderer Berücksichtigung der bereits Berufstätigen,
- intensive intra- und interdisziplinäre Kollaboration,
- Entwicklung von pflegerischen Minimal-Data-Sets;
Durch diese Maßnahmen wird es möglich, nicht nur bisher unbekannte Fakten und Daten zu finden, sondern auch neue Verhältnisse und Beziehungen zwischen schon bekannten Tatsachen aufzuzeigen und dadurch pflegerische Leistung im interdisziplinären Team zu stabilisieren und gegebenenfalls zu optimieren. Es ist wichtig, genau jene Patienten/innen zu erkennen, die Pflege benötigen und von der Pflegefachentwicklung profitieren werden. Dies ist besonders bei zeit- und personalintensiven Maßnahmen erforderlich. Entscheidungen im Hinblick auf eine Wahl zwischen den verschiedenen Arten der Pflegeunterstützung sollten idealerweise an den Bedürfnissen der Patienten/innen ausgerichtet sein. In der Praxis können diese Entscheidungen durch die verfügbare Personaldichte, die systematische Ausbildung der Pflegenden – auch im Sinne von Personalentwicklung – wie auch den gezielten Einsatz von „Change-Agents“ beeinflusst werden.
Trotz der intraprofessionellen Bemühungen ist es unabdingbar, gemeinsam mit weiteren Berufsgruppen, Gesundheitsinstitutionen und politischen Entscheidungsträgern, die grundsätzlich dieselbe Verpflichtung an die Gesellschaft wie die Pflege haben, das Vertrauen der Bevölkerung zu behalten.