Herausforderung Study Nurse

Der Berufszweig Study Nurse & Study Coordinator ist ein fachübergreifendes und interdisziplinäres Tätigkeitsfeld. Wer sich für diese Arbeit entscheidet benötigt nicht nur fachliches Wissen und Managementfähigkeiten – auch autonomes, initiatives und kreatives Handeln sind gefragt. Manuela Sternig über rechtliche und berufliche Ausgangslage, Tätigkeitsfelder und unverzichtbare Standards.

Wenn man sich als Study Nurse & Study Coordinator im Feld der klinischen Studien bewegt, dann erfordert dies Wissen über international anerkannte, ethische und wissenschaftliche Qualitätsanforderungen (Good clinical practice) die bei klinischen Studien eingehalten werden müssen. Da in Österreich die Einhaltung der GCP durch das Arzneimittelgesetz, das Medizinproduktegesetz und die GCP-Guideline rechtsverbindlich geregelt ist, ist diese Fachkenntnis das Grundwerkzeug für die Ausübung dieses Berufszweigs.

Das noch recht junge Berufsbild der Studienkoordinator*innen (Study Nurses & Study Coordinators) gewinnt in Österreich immer mehr an Interesse und ist zukünftig nicht mehr aus den Kliniken wegzudenken. Neben den Prüfärzt*innen spielen Study Nurses & Study Coordinators eine wesentliche Rolle bei der reibungslosen Durchführung von klinischen Studien aller Art.

Obwohl das Interesse an klinischen Studien in Österreich steigt, ist es noch nicht gelungen, eine standardisierte, allgemein rechtlich anerkannte Ausbildung zur Study Nurse & Study Coordinator zu etablieren. Einen ersten Meilenstein gibt es jedoch. Die Gründung des Universitätslehrgangs Master of Science in Study Management an der Medizinischen Universität Wien bietet seit Oktober 2018 diesen Lehrgang an, in dem eine Basis geschaffen wird, den Beruf in all seinen Komplexitäten längerfristig einer rechtlichen und klinischen Anerkennung zuzuführen. So ist es in Österreich nicht unbedingt erforderlich für den Tätigkeitsbereich Study Nurse & Study Coordinator eine vorangegangene medizinische Ausbildung vorzuweisen. Meistens jedoch werden Personen aus den naturwissenschaftlichen oder medizinischen Bereichen wie Biologie, Psychologie, ausgebildetes Pflegepersonal oder Medizinstudierende für den Tätigkeitsbereich Study Nurses & Study Coordinators in Erwägung gezogen und ausgewählt.

Welche Ausbildung diese Personen mitbringen sollen, wird je nach Bedarf vom Auftraggeber oder der Klinik selbst vorgegeben. Hauptsächlich sind es jedoch Pflegepersonen, die in dieses Tätigkeitsfeld „hineinrutschen“ und dort professionelle und fachlich kompetente Arbeit leisten.

In Deutschland werden für die Ausbildung ausschließlich Personen mit einem medizinischen Ausbildungshintergrund zugelassen. In einer Weiterbildung erfolgt die Qualifikation zur Study Nurse, die mit einem Zertifikat abschließt. Eine Study Nurse ist kein Ausbildungsberuf, weist jedoch in der Regel sehr hohe Qualifikationen auf. Neben IT- und Englischkenntnissen in Schrift und Sprache ist ein sicheres Beherrschen der medizinischen Fachterminologie unerlässlich.

Der Berufszweig Study Nurses & Study Coordinators bedingt eine Zusammenarbeit mit unterschiedlichsten Berufsgruppen im Gesundheitswesen. Dazu können Patient*innen, Ärzt*innen, Kliniken, Röntgen-Institute, Laboratorien, Clinical-Research-Organisationen, Regierungsabteilungen (z. B. Bundesministerien oder AGES) wie auch internationale Prüfbehörden genannt werden. Study Nurses & Study Coordinators sind an Kliniken, die als Prüfzentrum bezeichnet werden, mit den Prüfärzt*innen für den reibungslosen Ablauf der klinischen Studien verantwortlich. Sie fungieren als Ansprechperson und sind Schnittstelle für Prüfärzt*innen, Monitore und Studienzentrale. Weit darüber hinaus sind sie eine wichtige Konstante für die Patient*innen sowohl während der Studie als auch für die Zeit nach der Studie.

Um den Herausforderungen in diesem Berufsfeld gewachsen zu sein, bedarf es einer qualifizierten und fachspezifischen Ausbildung. Vor allem erfordert es die Eigenschaft, komplexe Abläufe effizient erfassen und bearbeiten zu können. Stets im Fokus steht die Integration von theoretischem und praktischem Wissen aus den unterschiedlichsten gesundheitswissenschaftlichen Disziplinen. Als Study Nurses & Coordinators ist man ständig gefordert, die Auflagen des Auftraggebers zu erfüllen und eine vollständige, akkurate, lesbare, zuordenbare, nachvollziehbare Dokumentation zu führen. Ziel dabei ist es auch, Jahre nach Studienende eine lückenlose Rekonstruktion der Datenerhebung und aller relevanten Entscheidungen anhand der geführten Dokumentation nachweisen zu können.

 

Tätigkeiten der Study Nurses & Study Coordinators

Bevor eine klinische Studie beginnen kann, unterstützt Study Nurses & Study Coordinators die Kommunikation zwischen Auftraggeber (Sponsor) und Prüfzentrum bei der Bearbeitung der Vertragsangelegenheiten. Dies umfasst auch die Verhandlungen über das Studienbudget sowie die Vorbereitung der erforderlichen Formulare und Dokumente, die für die Einreichung der Studie bei den zuständigen Behörden und der Ethikkommission erforderlich sind.

Gemeinsam mit dem Studienteam am Prüfzentrum werden die Studienteilnehmer*innen rekrutiert. Study Nurses & Study Coordinators unterstützen die Prüfärzt*innen während dem Patientenaufklärungsgespräch und sichern so die plangerechte Durchführung der Studie. Neben der Organisation und Koordination von Diagnostik, Labor, Probenabnahme, -versand und Prüfmedikation übernehmen Study Nurses / Study Coordinators einen großen Teil der prüfärtzlichen Aufgaben. Die Tätigkeiten können in folgende Bereiche eingeteilt werden:

  • Betreuung der Patient*innen im Sinne von Case Management
  • administrative und sonstige Tätigkeiten rund um die Studie
  • Externe Kommunikation mit unterschiedlichen Pharmaunternehmen und Monitoren
  • Weiterbildung betreffend studienbezogene Kompetenzen

 

Case Management

Tätigkeiten, die unter die Betreuung der Patient*innen im Sinne von Case Management fallen, sind: die Koordination der notwendigen Untersuchungen, die Aufklärung von und Erklärungen an die Studienteilnehmer*innen, für Anfragen jeglicher Art zur Verfügung zu stehen und Beziehungsarbeit zu leisten, um Vertrauen zu schaffen. Das Case Management ist eine wesentliche Aufgabe für das Gelingen einer klinischen Studie. Für die Study Nurses und Study Coordinators bedeutet dies für alle Fragen eine Antwort zu haben.

Weiters werden Tätigkeiten direkt an den Patient*innen selbstständig oder in Zusammenarbeit mit den Ärzt*innen durchgeführt. Dazu zählen Verabreichung von medikamentösen Therapien, Gewinnung von Probenmaterial und dessen korrekte Versorgung (Zentrifugieren, Einfrieren, Probenversand). Abschließend liegt die Bestellung, Ausgabe und Lagerführung des Prüfpräparates in der Verantwortung der Study Nurses und Study Coordinators.  

Tätigkeiten rund um die Studie erfordern nicht zwingend eine medizinische Vorbildung, jedoch ist ein umfassendes Know-how in der Durchführung von klinischen Prüfungen und Kenntnis des Studienprotokolls dringend erforderlich. Unter diesen Bereich fallen alle administrativen Tätigkeiten wie das Führen von screening logs, Randomisierung von Studienteilnehmer*innen, Dokumentation von Lagerbeständen, Temperatur logs, zeitnahe Meldung aller unerwünschten Ereignisse an den Auftraggeber (Sponsor) oder auch an die Ethikkommission, Versorgung und laufende Überprüfung aller notwendigen Materialien, Einholung und Aktualisierung aller erforderlichen Zertifikate und Lebensläufe vom Studienteam. Die Kommunikation erfolgt mit den unterschiedlichsten Behörden, Instituten, Laboratorien, Kliniken wie auch Abteilungen und Stationen meist in englischer Sprache. Weitere Aufgaben sind die Vorbereitung und Begleitung bei Monitorings, Inspektionen und Audits, die Verantwortung für die Vollständigkeit und Qualität der gesammelten Daten, die Überwachung der stetigen Weiterbildung und Wissenserweiterung im Studienteam die laut Prüfprotokoll gefordert werden.

Study Nurses und Study Coordinators arbeiten nach Good Clinical Practice (GCP) und helfen bei der regelkonformen Umsetzung klinischer Studien nach österreichischem Arzneimittelgesetz (AMG) und Medizinproduktegesetz (MPG).

In der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts wurden erste ethische Grundsätze für die Forschung am Menschen und im weiteren Verlauf auch zur Festlegung von Qualitätsstandards für bestimmte Arten klinischer Studien eingeführt. Dabei hat sich die Deklaration von Helsinki als der weltweit anerkannte ethische Standard für humanmedizinische Forschung und die Gute Klinische Praxis als international anerkanntes und verbindliches Regelwerk für eine qualitativ hochwertige Durchführung klinischer Prüfungen von Arzneimitteln und Medizinprodukten etabliert.  Die Deklaration von Helsinki befasst sich mit den Rechten und dem Schutz von Personen, die an klinischen Studien teilnehmen. Im Mittelpunkt dabei steht immer der Schutz der Studienteilnehmer*nnen und die Qualität der Studienergebnisse.

 

Drei unverzichtbare Standards

Gute Klinische Praxis (GCP) wurde 1989 erstmals von der International Conference on Harmonization (ICH) veröffentlicht und ist in fünf Abschnitte unterteilt. Nach GCP werden klinische Studien nur dann zugelassen, wenn sie gemäß den ethischen Grundsätzen durchgeführt werden, die ihren Ursprung in der Deklaration von Helsinki haben und mit den geltenden gesetzlichen Bestimmungen vereinbar sind. Eine klinische Studie soll nur dann begonnen und fortgesetzt werden, wenn sie auf wissenschaftlichen Grundlagen beruht und die zu erwartenden Vorteile die Risiken rechtfertigen. An erster Stelle stehen immer das Recht, die Sicherheit und das Wohlbefinden der Prüfungsteilnehmer*innen, diese haben Vorrang vor den Interessen von Wissenschaft und Gesellschaft. Eine klinische Prüfung soll durch eine unabhängige Ethik-Kommission bewertet und genehmigt werden. Die medizinische Versorgung der Studienteilnehmer*innen soll immer von qualifizierten Ärzt*innen und Study Nurses oder Study Coordinators durchgeführt werden.

Die ICH-GCP-Leitlinie regelt im Kontext mit den nationalen Gesetzgebungen einen großen Bereich an Qualitätssicherungs- und Kontrollmaßnahmen.

Das AMG regelt den Verkehr mit Arzneimittel im Sinne einer sicheren Arzneimittelversorgung von Tier und Mensch. Im Fokus des Arzneimittelgesetzes steht der Schutz der Menschen bei der klinischen Prüfung und die Sicherung und Kontrolle der Qualität. Für klinische Studien ist das AMG absolut verbindlich. Die Inhalte des AMG ist streng konform mit der Guten Klinischen Praxis (GCP-Good Clinical practice).

Das Medizinproduktegesetz (MPG) regelt die Sicherheit, Eignung und Leistung der Medizinprodukte sowie die Gesundheit und den erforderlichen Schutz der Patient*innen, Anwender*innen und Dritte. In klinischen Studien sorgt das MPG für die Einhaltung von Sicherheitsmaßnahmen und soll die Patient*innen und Probanden in klinischen Studien schützen.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass es drei unverzichtbare Standards für die Durchführung von klinischen Prüfungen gibt. Die Deklaration von Helsinki ist ein weltweit anerkannter ethischer Standard für humanmedizinische Forschung. Ihr Fokus liegt auf den Rechten und dem Schutz von Personen, die an klinischen Studien teilnehmen.  Die Gute Klinische Praxis als Regelwerk für eine qualitativ hochwertige Durchführung klinischer Prüfungen ist betreffend Arzneimittel in der Leitlinie ICH GCP E6 und betreffend Medizinprodukte in der internationalen Norm EN ISO 14155 dargestellt.

 

Study Nurse & Study Coordinator - auf jede Frage eine Antwort

Der Berufszweig Study Nurse & Study Coordinator ist ein fachübergreifendes und interdisziplinäres Tätigkeitsfeld.  Wer sich für diese Arbeit entscheidet benötigt ein gutes Management, sollte autonom, initiativ und kreativ handeln können. Die Fähigkeit zu Networking, Organisationsfähigkeit und Coaching sind in diesem Berufsfeld unerlässlich. Durch Kommunikationsfähigkeit, Kooperationsfähigkeit, Koordinationsfähigkeit und Konfliktfähigkeit kann eine multidisziplinäre Zusammenarbeit gewährleistet werden. Die Tätigkeit steht im Wechsel mit vorgegebenen Strukturen und selbstständigem Arbeiten. Das projektbezogene Arbeiten ermöglicht es, einen umfangreichen Einblick in diverse Bereiche und deren unterschiedlichen Arbeitsweisen, zu erhalten, ohne sich an eine dauerhafte Fachrichtung binden zu müssen.

Die Erfahrungen haben gezeigt, dass der Einsatz qualifizierter Study Nurses und Study Coordinators zu einer hohen Studienqualität und durch intensive Betreuung auch zu einer hohen Patientenzufriedenheit führt.

 

Die verwendete Literatur ist bei der Verfasserin (manuela.sternignoSpam@stud.pmu.ac.at) erhältlich.

Manuela Sternig, B.A., MScN

Manuela Sternig, MScN, ist Doktoratsstudierende zum Doctor of Philosophy in Nursing & Allied Health Sciences am Institut für Pflegewissenschaft und -praxis an der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität Salzburg. In ihrer Abschlussarbeit beschäftigt sie sich mit dem Thema „Erfahrungen von Transgender Personen in der stationären Pflege- und Gesundheitsversorgung in Österreich“.

Manuela Sternig arbeitet als Study Nurse im Klinikum Klagenfurt und stellt seit einigen Jahren den österreichischen Gerichten ihre fachliche Expertise als allgemein beeidete und gerichtlich zertifizierte Sachverständige für Gesundheits- und Krankenpflege zur Verfügung.