Gewalt gegen Pflegende - es drohen hohe Strafen

Mit dem Gewaltschutzgesetz 2019 wurde auf alarmierende Entwicklungen reagiert – Angehörige der Gesundheitsberufe sollen so besser gegen Angriffe geschützt werden. Simone Ehn analysiert, welche Strafen den Täter*innen nun drohen und warum eine tatsächliche Verletzung überhaupt nicht notwendig ist, um bereits strafbar zu werden.

Gewalt innerhalb einer Pflegebeziehung kommt in unterschiedlichen Konstellationen vor. Nicht nur Pflegebedürftige werden zu Opfern, sondern auch Pflegende sind vielfach Gewalt ausgesetzt. Nachdem sich bereits ein Blogbeitrag mit Gewalt an Pflegebedürftigen durch Pflegende beschäftigt hat, stellt dieser Blogbeitrag den besonderen strafrechtlichen Schutz Angehöriger bestimmter Berufsgruppen im Gesundheitswesen dar.

Pflegende sind aufgrund und während ihrer Berufsausübung vermehrt Übergriffen und Gewalt ausgesetzt. Im Jahr 2020 gab es laut Statistik der AUVA 572 Arbeitsunfälle von Angehörigen im Gesundheitswesen im Konnex mit Gewalt:

Quelle: AUVA

 

Der Gesetzgeber hat darauf mit dem Gewaltschutzgesetz 2019 reagiert und zwei Strafdelikte eingeführt, welche die Gesundheitsberufe besser schützen sollen. Es wurde im Begutachtungsprozess zum Gesetz klar herausgestrichen, dass eine zunehmende Gewaltbereitschaft und Gewalt gegenüber im Gesundheits- und Sozialbereich tätigen Personen zu verzeichnen ist bzw. vermehrt tätliche Übergriffe auf Ärzt*innen, Pflegekräfte und Mitarbeiter*innen in Spitälern und Ordinationen festzustellen waren. Von neuen Straftatbeständen erhoffte man sich, diesen Entwicklungen entgegenwirken und die Gewalt eindämmen zu können. Somit wollte man das Strafrecht verstärkt zum Schutz für Berufsgruppen, die einem gewissen Risiko für Übergriffe ausgesetzt sind, nutzen. Die neuen Straftatbestände sind seit 1.1.2020 in Kraft. Der geschützte Personenkreis ist bei beiden Delikten grundsätzlich beinahe ident.

Wie hoch ist der neue Strafrahmen?

Der Gesetzgeber hat die Strafnorm bezüglich der vorsätzlichen Körperverletzung bzw. Gesundheitsschädigung an Angehörigen eines Gesundheitsberufs verschärft. Nach § 83 Abs 3 Z 2 Strafgesetzbuch (StGB) ist die Körperverletzung an Gesundheitspersonal ab 1. 1. 2020 mit doppelt so hoher Strafe gegenüber dem Grunddelikt bedroht. Der sonst für den/die Täter*in geltende Rahmen für die Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen ist in diesen Fällen verdoppelt auf bis zu zwei Jahre.

Eine Körperverletzung begeht, wer die körperliche Unversehrtheit nicht ganz unerheblich beeinträchtigt bzw. in die leibliche Unversehrtheit eines anderen nicht ganz unerheblich eingreift. Erfasst werden damit also alle nicht bloß ganz geringfügigen Eingriffe in die körperliche Integrität, wie Wunden, Schwellungen, Verstauchungen, Verrenkungen, Brüche oder sonstige Läsionen.

Dem Tatopfer aus dem geschützten Personenkreis muss eine Körperverletzung zugefügt werden, wobei die Tat während oder wegen der Ausübung der Tätigkeit begangen worden sein muss. Die Tatverübung wegen der Tätigkeit des Tatopfers verlangt nicht zwangsläufig eine solche während eben dieser Tätigkeit, sondern kann durchaus etwa auch vor oder nach derselben stattfinden.

Wen schützt das erweiterte Strafrecht?

Tatopfer (der Gesetzgeber spricht vom Tatobjekt) des § 83 Abs 3 Z 2 StGB sind bestimmte Angehörige des Gesundheits- und des Rettungswesens sowie der Feuerwehr. Der geschützte Personenkreis des gesetzlich geregelten Gesundheitsberufs umfasst insbesondere Ärzt*innen, Zahnärzt*innen, Apotheker*innen, Psychotherapeut*innen, klinische Psycholog*innen, Gesundheitspsycholog*innen, Hebammen, Sanitäter*innen, medizinische Masseur*innen, Heilmasseur*innen, Angehörige der Gesundheits- und Krankenpflegeberufe, der medizinisch-technischen Dienste, des kardio-technischen Dienstes und der Sanitätshilfsdienste. Damit zählen verschiedene im Rettungsdienst tätige Personen bereits zu den Angehörigen eines gesetzlich geregelten Gesundheitsberufes. Nur wenn Angehörige des geschützten Personenkreises verletzt werden, greift die höhere Strafdrohung im Vergleich zum Grunddelikt. Der Gesetzgeber spricht von einer Qualifikation.

Ab wann droht den Täter*innen eine Strafe?

Es genügt (zumindest) bedingter Vorsatz des/der Täter*in (der Gesetzgeber spricht vom Tatsubjekt). Das bedeutet, der/die Täter*in muss es zumindest ernstlich für möglich halten und sich damit abfinden, dass er/sie eine/n anderen am Körper verletzt oder an der Gesundheit schädigt. Der/die Täter*in muss es weiters zumindest ernstlich für möglich halten und sich damit abfinden, dass das Opfer seiner/ihrer Tat ein Angehöriger eines Gesundheitsberufs ist und dass die Tat im Zusammenhang mit der Ausübung der Tätigkeit des Gesundheitsberufs („während oder wegen“) steht.

Empfindliche Strafen drohen auch ohne Verletzung

Die Ausweitung der Delikte gegen Leib und Leben zum Schutz von Angehörigen des Gesundheits- und Rettungsdienstes vor gewalttätigen Übergriffen beinhaltet neben der neuen Qualifikation der Strafbestimmung der vorsätzlichen Körperverletzung auch den neu eingefügten § 91a StGB, der den tätlichen Angriff auf einen Angehörigen des Gesundheitspersonals unter Strafe stellt, selbst wenn dieser Angriff zu keiner Verletzung führt (§ 91a Z 2 StGB).

Die Strafnorm (§ 91a StGB) lautet auszugsweise: Wer eine Person, die in einem gesetzlich geregelten Gesundheitsberuf, für eine anerkannte Rettungsorganisation oder in der Verwaltung im Bereich eines solchen Berufs, insbesondere einer Krankenanstalt, tätig ist, während der Ausübung ihrer Tätigkeit tätlich angreift, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.

Als tätlicher Angriff ist jede vorsätzliche, unmittelbar gegen den Körper des Gesundheitspersonals oder den Hilfspersonen gerichtete Aggressionshandlung zu werten, die Schmerzen bereiten soll. Tätliche Angriffe sind bespielweise:

•             Versetzen von Stößen
•             Reißen an der Bekleidung (z.B. Stoff beschädigt, Knopf gelöst)
•             Schlagen, Kratzen, Würgen
•             Drücken gegen eine Mauer
•             Hindern am Weggehen durch Verstellen der Tür
•             Wurf einer Infusion, eines Desinfektionsmittelbehälters oder eines Sessels, etc.

Eine tatsächliche Berührung des Körpers ist nicht erforderlich. Auch das Werfen von Gegenständen reicht aus, auch wenn das Gesundheitspersonal nicht vom Wurfgeschoss getroffen wurde. Die Tat ist mit dem Angriff vollendet. Anspucken, Anschütten mit Wasser, wörtliche Beleidigung, Herunterschlagen einer Kopfbedeckung, Bewerfen mit Tomaten oder Ergreifen am Oberarm fällt mangels Zufügen von Schmerz nicht unter das Strafdelikt. Gegebenenfalls kann das Strafdelikt der Beleidigung (§ 115 StGB) erfüllt sein.

Vor der Einführung des § 91 Z 2 StGB, waren solche Handlungen, die zu keiner Verletzung führten, nicht strafbar. Nun wurde durch diese Norm eine Strafbarkeitsausweitung für Angehörige des geschützten Personenkreises geschaffen, die es für Menschen außerhalb dieses Berufes nicht gibt.

Was hat die Pandemie verändert?

Covid-19 verlagert den Ort der Problematik. Weil Spitäler und Ordinationen aufgrund der Pandemie abgeschirmt sind und die Wartezeiten verringert wurden, sind Übergriffe zurückgegangen. In den Ordinationen haben sich durch den coronabedingten Terminverkehr die Wartezeiten reduziert und in den Spitälern ist aufgrund der Zugangsbeschränkungen mit Testpflicht die Situation entschärft worden. Allerdings kommt es in den Test- und Impfstraßen immer wieder zu Übergriffen. Hier wurde mit vermehrtem Einsatz von Polizei und Security reagiert.

Zusammenfassung und Ausblick

Das Gewaltschutzgesetz 2019 hat gewalttätige Übergriffe gegen das Gesundheits- und Rettungspersonal in die Gesetzes-Reform einbezogen. Der Gesetzgeber hat auf vermehrte tätliche Übergriffe auf Ärzt*innen, Pflegekräfte und Mitarbeit*innen in Spitälern und Ordinationen reagiert und einen neuen Straftatbestand eingeführt, den es zuvor noch nicht gab und der nur für Angehörige des Gesundheits- und Rettungspersonals während ihrer Tätigkeit gilt. Mit 1.1.2020 ist es strafbar, Angehörige des Gesundheits- und Rettungspersonals während ihrer Tätigkeit anzugreifen (§ 91a Z 2 StGB). Des Weiteren hat der Gesetzgeber die Strafnorm bezüglich der vorsätzlichen Körperverletzung bzw. Gesundheitsschädigung an Angehörigen eines Gesundheitsberufs verschärft. Werden diese während oder wegen ihrer Tätigkeit im Zuge dieses Angriffs am Körper verletzt oder an der Gesundheit geschädigt, bewirkt dieser Konnex zur Tätigkeit eine Verdoppelung der für eine vorsätzliche einfache Körperverletzung vorgesehenen Strafdrohung von einem auf zwei Jahre (§ 83 Abs 3 Z 2 StGB). Von neuen Straftatbeständen erhofft man sich Gewalteindämmung und besonderen Schutz für Berufsgruppen, die einem gewissen Risiko für Übergriffe ausgesetzt sind. Die neuen Straftatbestände sind seit 1.1.2020 in Kraft.

So willkommen und angebracht dieser besondere Schutz auch ist, zusätzlich braucht es viele weitere Maßnahmen seitens des Gesetzgebers, wie insbesondere die Verbesserung von Rahmen- und Arbeitsbedingungen von Angehörigen der Gesundheitsberufe in Arztpraxen, Spitalsambulanzen oder bei Rettungsdiensten.

 

Quellen:

Birklbauer A.: Strafverschärfung bei tätlichen Angriffen auf das Gesundheits- und Rettungspersonal, 2020, in ÖZPR 2020, Seite(n) 4-8, 2020
Birklbauer A.:Der erweiterte Schutz des Gesundheitspersonals durch neue Strafbestimmungen, 2019, in JMG 2019, Seite(n) 223-227, 2019
Nimmervoll/Stricker in Leukauf/Steininger, StGB Update 2020 § 83 (Stand 1.2.2020, rdb.at)
Nimmervoll/Stricker in Leukauf/Steininger, StGB Update 2020 § 91a (Stand 1.2.2020, rdb.at)

 

Mag. Simone Ehn

Simone Ehn ist seit 2016 Institutsjuristin am Institut für Pflegewissenschaft und -praxis. Sie befindet sich im Abschluss-Semester des Aufbaustudiums Medizinrecht an der JKU und verfasst aktuell ihre Masterarbeit zum Thema „Gewalt in der Pflege - Erweiterter Schutz des Gesundheitspersonals durch neue strengere strafrechtliche Bestimmungen“.